Braunschweig. Die SB 10 der Akaflieg der TU Braunschweig ist immer noch größte Segelflugzeug der Welt.

Wenn das immer noch größte Segelflugzeug der Welt 50 Jahre alt wird, machen wir uns auf zum Flughafen Waggum, um einige Pioniere dieses wunderbaren Segelflugzeugs zu treffen. Und erleben einen Bilderbuchstart von SB10, dem Aushängeschild der studentischen Vereinigung Akaflieg der TU Braunschweig.

Michael Preß, einer dieser Pioniere, hat den Termin organisiert und auch die technischen Daten für diesen Artikel zusammengetragen. Immerhin ist von einem Stück Luftfahrtgeschichte die Rede. Und ganz entscheidend von einem Meilenstein, der bis heute die Luftfahrtindustrie verändert hat. Es ist der Einsatz von carbonfaserverstärktem Kunststoff (CFK) – erstmals eingesetzt bei der SB10!

Pioniere der Akaflieg Braunschweig am Wochenende mit dem Segelflugzeug SB10 in Waggum: (von links) Bernd Junker, Michael Preß, Wolfgang Beduhn, Wolfgang Vits und Peter Montag.
Pioniere der Akaflieg Braunschweig am Wochenende mit dem Segelflugzeug SB10 in Waggum: (von links) Bernd Junker, Michael Preß, Wolfgang Beduhn, Wolfgang Vits und Peter Montag. © Henning Noske

Vor 50 Jahren also der Erstflug der SB10 – konstruiert und gebaut von den Studenten der Akaflieg.

Als erstes Segelflugzeug erreichte die SB10 eine vermessene Gleitzahl von über 50

Oberstes Entwicklungsziel für die SB10, berichtet Michael Preß, war die Steigerung der Flugleistung. Und fährt fort: Weil damals keine wesentlichen aerodynamischen Verbesserungen oder bessere Flügelprofile in Aussicht standen, schien die Vergrößerung der Flügelspannweite das wirksamste Mittel zur Leistungssteigerung – ein Weg, den die Akaflieg bereits beim Vorgängerflugzeug SB9 erfolgreich beschritten hatte. Mit ursprünglich 18 Metern Spannweite, die durch ansteckbare Flügelenden auf 21 Meter erweitert wurde.

Um den Bauaufwand für das neue Flugzeug in Grenzen zu halten, wurden die bewährten Tragflächen der SB9 wieder verwendet und durch ein 8,7 Meter langes Flügelmittelstück ergänzt. Damit wurde die SB10 mit wahlweise 26 oder 29 Metern Spannweite das größte fliegende Segelflugzeug der Welt.

Dieses Flügelmittelstück konnte allerdings mit der notwendigen Festigkeit und Steifigkeit und vertretbarem Gewicht nicht mehr in der üblichen Bauweise aus Glasfaser-verstärktem Kunststoff (GFK) gebaut werden. Da bot sich die gerade neu entwickelte Kohlenstoff- oder Carbonfaser an, die eine deutlich höhere Festigkeit und Steifigkeit bei geringerem Gewicht als Glasfaser versprach.

Weil es noch keine zugelassenen Werkstoff-Kennwerte für die neuen Carbonfasern gab, mussten dafür bei der Akaflieg aufwendige Festigkeitsversuche und -Nachweise erbracht werden. Heute werden nicht nur Tennisschläger und Rennräder, sondern auch große Teile der Airbus- und Boeing-Flugzeuge aus CFK gebaut, aber das weltweit erste Flugzeug mit einem tragenden Flügel aus CFK war vor 50 Jahren die SB10.

Als erstes Segelflugzeug erreichte sie eine vermessene Gleitzahl von über 50. Bedeutet: Aus 1000 Meter Höhe kann die SB10 in ruhiger Luft über 50 Kilometer weit gleiten. Und sammelte Titel und Rekorde.

Ende 2003 wurde nach über 30 Jahren eine Grundüberholung nötig, die jedoch die aktive Akaflieg-Gruppe überfordert hätte. Damit drohte der SB10 die Abschiebung in ein Museum – für einige „Alte Herren“ eine schwer erträgliche Vorstellung.

Seit 2012 ist die SB10 wieder im Flugbetrieb der Akaflieg und wird auch von den Jüngeren mit Begeisterung geflogen

So fand sich eine Gruppe von Enthusiasten, die zum Teil in ihrer Studentenzeit die SB10 gebaut hatten und sie nun als Rentner in mehrjähriger Arbeit überholten.

Seit 2012 ist die SB10 wieder im Flugbetrieb der Akaflieg und wird auch von den jungen Akafliegern und Akafliegerinnen, die nicht einmal halb so alt sind wie das Flugzeug, mit Begeisterung geflogen – meistens allerdings mit „nur“ 26 Metern Spannweite, denn mit 29 Metern darf sie nicht an der Winde starten. Und Flugzeugschlepp ist auf dem Braunschweiger Flughafen ein kompliziertes Unterfangen.

Die deutsche Segelflug-Legende Helmut Reichmann beschrieb in einem Buch die SB10 als „das größte, vielleicht auch das beste und schönste Segelflugzeug der Welt“. Inzwischen gibt es zwar einige als Einzelstücke oder in Kleinserie gebaute Segelflugzeuge mit mehr als 30 Metern Spannweite, allerdings haben sie einen ausklappbaren Motor und gelten als Motorsegler.

Damit ist die SB10 mit 29 Metern immer noch das größte reine Segelflugzeug der Welt. Das „Beste“ ist sie sicher nicht mehr – durch Weiterentwicklung der Aerodynamik wie zum Beispiel hochgebogene Flügelenden, sogenannte Winglets, und neue Profile erreichen die besten Segelflugzeuge inzwischen Gleitzahlen von 60 bis 70.

Und auch die neue SB15 der Akaflieg, ein schlanker und vergleichsweise leichter Doppelsitzer mit „nur“ 20 Metern Spannweite, der gerade in der Akaflieg-Werkstatt von einer neuen Generation entsteht, wird der SB10 ebenbürtige Flugleistungen haben.

Aber wie sie da am Himmel schwebt und kreist, Vögeln gleich die Thermik nutzend, ist es ein wunderbarer Anblick. Wie lange noch? Auf die nächsten 50 Jahre, hieß es am Wochenende.

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